Personalisierte Werbung ist nichts Neues. Warum sie besser funktioniert, als eine Flut an Flyern und sogar die Millennials erreicht, wissen meist auch Marketingprofis nicht im Detail. Fakt ist, dass sie funktioniert, denn das menschliche Bedürfnis nach Kontrolle und Information lässt sich mit gegenseitigem Mehrwert für Anbieter und Verbraucher bestens in moderne Marketingstrategien einbinden.
Auf den Punkt gebracht ist Personalisierung ein Marketinginstrument, das Informationen an den Empfänger so persönlich wie möglich adressiert. Dem Kunden werden maßgeschneiderte und individuelle Inhalte bereitgestellt, die seinen Neigungen und seinem Kaufverhalten entsprechen. Dazu wird der Next-Best-Offer-Ansatz (NBO) gewählt, der den Nutzen des Verbrauchers oder Käufers in den Vordergrund der Werbebotschaft stellt und es so ermöglicht, ihm relevante und persönlich interessante Informationen zukommen zu lassen.
Die Grundlage dieser Personalisierung sind Daten, die das Verhalten und die Interessen des Nutzers oder Empfängers widerspiegeln. Zu ihnen gehören zugriffsquellen, Klickverläufe, genutzte Endgeräte, Tageszeiten der Nutzung, Profile, Bonusprogramme etc. Hier erkennt man als Experte, welche Links in Newslettern der Kunde bevorzugt anklickt, welche Kanäle er nutzt und was, wo und wann jemand einkauft und ob er das online am Desktop tut oder eher mobil. Klug umgesetzt lassen sich mit diesem Wissen Kunden zur richtigen Zeit mit interessanten Botschaften ansprechen, ohne sich beobachtet oder plump manipuliert zu fühlen.
Dabei hilft die Psyche des Menschen, die auf personalisierte Nachrichten grundsätzlich besser anspricht. Man fühlt sich wertgeschätzt und reagiert darauf mit Sympathie. Nicht ganz so offensichtlich ist das unterbewusste Gefühl der Kontrolle, wenn man personalisierte Nachrichten erhält. In einer Welt mit Informationsüberangebot gibt beispielsweise eine personalisierte E-Mail mit relevanten Inhalten dem Empfänger, wenn auch illusorisch, eine gewisse Sicherheit. Man ist mit dem Content vertraut. Auch, wenn dieser Prozess unterschwellig abläuft, ist man überzeugt von dem, was man liest und den Inhalten des Newsletters aufgeschlossener.
Verantwortlich dafür ist das sogenannte “Reticular Activating System” (RAS) unseres Gehirns. Dieses besondere Areal im Kopf entscheidet, welche Informationen man als „von Interesse“ bewertet. Es steuert damit die selektive Wahrnehmung und lenkt die Aufmerksamkeit. Das funktioniert nachweislich umso besser, wenn man sich persönlich angesprochen fühlt oder Inhalten begegnet, die von persönlichem Interesse sind.
Erik Davaney nennt das den „Cocktail Party Effect“. Man ist auf einer Party, alle reden und man nimmt einen Großteil der Stimmen nur als Hintergrundgeräusch wahr. In dem Augenblick, wenn der eigene Name fällt oder über Interessantes diskutiert wird, schaltet das Gehirn oder genauer das RAS-System, wie es Dr. Rachna Jain nennt, auf „Mitmachen und Zuhören“ um. Gleiches passiert im Marketing, wenn Daten und Empathie zusammenspielen.
Den Zusammenhang von “Conversion Rate” und Personalisierung hat Studie der University of Texas untersucht und positive Auswirkungen nachgewiesen. Im Ergebnis zeigt sich, dass Personalisierung das innere Gefühl von Kontrolle verstärkt, das die menschliche Psyche zum Wohlfühlen braucht. Gleichzeitig hemmt es den als belastend empfundenen Informationswust. Denn idealerweise werden dank einer genauen Zielgruppenansprache und Segmentierung genau die Angebote angezeigt, die gesucht werden. So kommt mit weitaus weniger Ressourcen auch der Nutzer als Suchender zum Ziel und kauft schneller, zur Freude jedes Unternehmens und seiner Marketingabteilung.
Wie zu vermuten ist, reicht das reine Datensammeln nicht. Die erfassten Informationen müssen mit viel Geld und zeitlichem Aufwand ausgewertet und aktuell gehalten werden und all dies Datenschutzkonform. Das heißt auch, dass der Nutzer zuvor sein Einverständnis gegeben hat. Dies zu bekommen, ist auch in Deutschland nicht leicht, denn die Angst vor Datenmissbrauch ist groß. Laut Statista lehnen ca. 50,7 Prozent der Nutzer personalisierte Werbung und die dazu gehörigen Cookies ab. Anders ist es bei 63% der Millennials (Generation Y) und 58% der Generation X (vor der Generation Y), die mit einer gezielten Verwendung ihrer Daten einverstanden sind.
Die genannten Nachteile sind im Gegensatz zum Nutzen der Personalisierung jedoch eher kleinere Herausforderungen. Möchte man die Generation Y ansprechen, hat man meist keine Wahl, unabhängig, ob es online oder auf klassische Weise versucht wird. In der Ansprache der Zwischen 1980 und 1990 geborenen ist es wichtig, dass eine maßgeschneiderte, direkte Kundenansprache auf die individuellen Bedürfnisse dieser anspruchsvollen Zielgruppe eingeht. Das heißt meistens so viel Personalisierung möglich. Consumer Experience Psychologin Liraz Magalit fasst sie in zwei Statements zusammen: „Ich habe das gemacht, also gehört es zu mir!“ und „Ich habe es gemacht, also ist es grandios!“. Personalisierung ist also die ideale Marketingmethode für bestimmte Zielgruppen und ein genereller Trend, den es zu verstehen gilt.
„Ich habe das gemacht, also gehört es zu mir!“, zielt darauf ab, am Produktionsprozess mitzuwirken und ihn aktiv zu gestalten. Es entsteht eine emotionale Bindung oder der sogenannte „Ikea-Effekt“. Einem Massenprodukt wird gesteigerte Wertschätzung entgegengebracht, denn man hat mitgestaltet.
Ähnlich angelegt ist der Endowment-Effekt, der Besitztumseffekt. „Ich habe es gemacht, also ist es grandios!“ beschreibt ein durch die Studie der Cornell University untermauertes Phänomen, das Dinge als wertvoller und hochwertiger empfunden werden, wenn man sie besitzt oder besaß. Diese Produkte werden dann bevorzugt positiv bewertet. Ist das Produkt also online individualisierbar, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der User den Kaufprozess abschließt, auch unter der Option, dass mehr dafür bezahlt werden muss.
Dieses Bedürfnis nach aktiver Beteiligung betrifft jedoch nicht nur das Endprodukt, es berührt auch den Produktionsprozess. Crowdsourcing unterstützt Prozesse, in dem sich Konsumenten im Vorfeld schon an der Ideenfindung beteiligen und sich letztlich durch Kundenmeinungen neue Märkte erschließen.
Beispiele finden sich im Kleinen bei mymms.de, wo Schokolinsenliebhaber ihre Produkte und deren Verpackung mit Texten und Bildern kreieren können oder bei post-individuell.de, um sich selbst auf der Briefmarke zu sehen.
Größere Möglichkeiten bieten 3D-Drucker und deren fast endlose Produktpalette. Sie ist der USP, doch hier findet sich auch der Nachteil. Personalisierte Produkte lassen sich nicht umtauschen und sind teurer. Sie werden jedoch nachhaltiger sein, denn ein selbstgestaltetes Produkt mit nachvollziehbarem und mitbestimmtem Produktionsweg wird kaum so häufig retourniert werden, wie eins „von der Stange“.
Im Ergebnis ist die Personalisierung ein Trend, den Unternehmen auch in Zukunft nicht ignorieren können, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben und nachhaltig agieren möchten. Das Neue ist letztlich auch das Alte, denn unterm Strich geht es um Kundenwünsche, die individuell gestaltet und wertschätzend mit in das Produkt oder die Dienstleistung einfließen sollen. Standard war gestern und “back to the roots” mit individuellem Fußabdruck ist heute.
Unternehmen, die diesen Trend aktiv mitgehen, können sich hierbei effektiv von der „grauen Masse“ abheben und sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Gerade in Zeiten, in der effektive Aufbau von Kundenloyalität oberste Priorität in der eigenen Unternehmensstrategie haben sollte, ein sehr wünschenswerter Effekt!